Wed. Sep 24th, 2025
Wie man seine eigenen Steuern einreicht

Die Realität ist: Steuern selbst zu machen wirkt erst einmal einschüchternd – Tabellen, Paragrafen, Fristen. Doch aus meiner Erfahrung als jemand, der über 15 Jahre in leitenden Funktionen Finanz- und Betriebsprozesse begleitet hat, weiß ich: Wer den Prozess versteht und strukturiert angeht, kann viel Geld sparen, Fehler vermeiden und sogar lernen, die eigene finanzielle Lage bewusst zu steuern.

Ich erinnere mich noch, wie ich 2018 mit einem mittelständischen Klienten zusammensaß, der seine Buchhaltung auslagern wollte, um „Stress zu vermeiden“. Am Ende stellte sich heraus, dass er eigentlich nur ein paar grundlegende Schritte nicht kannte. Genau diese Schritte möchte ich hier aufzeigen – praxisnah, ohne Fachchinesisch, und mit der Ehrlichkeit, dass es Arbeit kostet, aber machbar ist.

Verstehen, warum es sich lohnt, die eigenen Steuern einzureichen

In meiner Laufbahn habe ich immer wieder gesehen, dass Menschen finanzielle Verantwortung scheuen, weil sie Dokumente und Zahlen fürchten. Doch Steuern selbst einzureichen, schafft ein tiefes Verständnis für die eigenen Geldflüsse.

Ein Geschäftsführer, mit dem ich 2020 arbeitete, hatte jahrelang blind den Steuerberater alles machen lassen. Als er gezwungen war, sich selbst tiefer mit der Materie auseinanderzusetzen, weil der Berater ausfiel, entdeckte er Absetzpotenzial von fast 4.000 € jährlich.

Es geht also nicht nur darum, Kosten für den Steuerberater zu sparen. Es geht darum, bewusst Strukturen im eigenen Leben und Geschäft zu sehen, die steuerrelevant sind. Und ja, der Lerneffekt zahlt sich spätestens nach dem zweiten Mal massiv aus, weil Sie dann genau wissen, worauf Sie achten müssen.

Die Grundlagen der Steuerpflicht klären

Viele unterschätzen, wie wichtig es ist, die Basics zu kennen. Wer muss in Deutschland überhaupt eine Steuererklärung abgeben? Wann reicht es, nichts zu tun?

2015 beriet ich ein Start-up, das anfangs dachte, mit geringen Umsätzen seien sie „unsichtbar“ für das Finanzamt. Das war ein teurer Irrtum. Jede Pflichtverletzung wird hier gnadenlos verfolgt.

Die Grundlage: Einkommensteuerpflicht besteht in Deutschland nahezu immer. Selbst wenn Sie Freelancer mit Nebenverdienst sind, kann das Finanzamt eine Erklärung verlangen. Darum sollten Sie immer prüfen: Welche Einkunftsarten habe ich? Löhne, Selbstständigkeit, Kapitalanlagen, Mieten? Erst wenn Sie diesen Überblick haben, können Sie verhindern, dass Sie später ein unangenehmes Schreiben vom Finanzamt bekommen.

Unterlagen sammeln und systematisch ordnen

Ich habe es zu oft erlebt: Menschen verlieren Geld, nicht weil sie Steuern falsch einreichen, sondern weil sie wichtige Belege schlicht nicht finden.

Seit Jahren predige ich: Legen Sie alles digital ab. Damals, 2017, verlor ein Mandant durch fehlende Belege über 2.500 €, einfach weil er Handwerkerrechnungen verlegt hatte. Heute gibt es Tools, die Belege automatisch einscannen und rechtssicher speichern.

Meine Praxisregel: Jeder Euro Aufwand ist es wert, wenn er am Ende Abzüge bringt. Halten Sie Lohnabrechnungen, Versicherungsnachweise, Rechnungen, Bankunterlagen, Spendenbescheinigungen bereit. Deshalb: Schaffen Sie gleich zu Jahresbeginn ein strukturiertes Archiv, statt am 30. Juni in Panik alles zusammensuchen zu müssen.

Die richtige Software oder Plattform nutzen

Hand aufs Herz: Früher, als ELSTER noch in den Kinderschuhen steckte, war es eine Qual. Heute ist es deutlich einfacher.

Ich empfehle aus Erfahrung eine Kombination: ELSTER als offizielles Portal, unterstützt durch private Softwareanbieter wie smartsteuer.de, die den Prozess laienfreundlicher machen. In meiner Beratung habe ich erlebt, dass Einsteiger mit Software 30–40% weniger Formfehler machen als jene, die Formulare manuell ausfüllen.

Und seien wir ehrlich: Die paar Euro Lizenzgebühr sind nichts im Vergleich zu den möglichen Einsparungen. Alternative: Wer sich rein digital orientieren möchte, kann auch jederzeit unter elster starten, der offiziellen Plattform der Finanzverwaltung.

Einkommen und Ausgaben präzise erfassen

Jedes Unternehmen weiß: Zahlen lügen nicht – nur Menschen interpretieren falsch. Deshalb: Seien Sie akribisch.

2019 hatten wir bei einem Mittelständler, der die Steuer selbst machte, eine Diskussion um Reisekosten. Weil er im Jahr zuvor zu vage Angaben gemacht hatte, bekam er eine Aufforderung zur Nachzahlung. Eine saubere Dokumentation hätte das verhindert.

Das Prinzip ist simpel: Alle Einnahmen brutal ehrlich angeben, keine „grauen Zonen“. Bei Ausgaben gilt: Alles belegen können. Keine Fantasieabrechnungen, kein „das passt schon“. Glauben Sie mir, Betriebsprüfungen passieren mittlerweile schneller, als man denkt – und die Software des Finanzamts filtert Auffälligkeiten automatisch.

Steuerliche Freibeträge und Abzugsmöglichkeiten nutzen

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Theoretisch kennt jeder den Begriff „Werbungskosten“. Aber praktisch? Viele lassen Geld liegen, weil sie nicht tiefer blicken.

Ein Freelancer, den ich 2021 beriet, schrieb jahrelang nur Arbeitsmaterialien ab. Dabei hätte er zusätzlich Homeoffice-Kosten, Weiterbildung und sogar kleine Pauschalen beanspruchen können. Ergebnis nach Korrektur: Rückerstattung von fast 2.000 €.

Meine Empfehlung: Machen Sie jedes Jahr ein Update darüber, welche Absetzungen aktuell möglich sind. Steuerrecht ist dynamisch, die Regierung ändert ständig Details. Checken Sie seriöse Quellen oder lassen Sie zumindest einmal jährlich jemanden professionell draufsehen, bevor Sie abgeben.

Die Erklärung fristgerecht abgeben

Timing ist alles – nicht nur in der Wirtschaft, auch bei Steuern.

Ich habe Klienten gesehen, die pünktlich alles abgaben und sich Bonus-Monate ohne Druck verschafften. Andere verzögerten und zahlten am Ende hohe Verspätungszuschläge.

Regel ist: Wer verpflichtet ist, muss bis 31. Juli des Folgejahres abgeben. Verlängerung nur mit Antrag oder Steuerberater. Mein Rat: Handeln Sie früh, blocken Sie einen Fix-Termin im Kalender, als wäre es ein Kundengespräch. Diese Disziplin spart Nerven und bares Geld.

Nach der Abgabe: Bescheid prüfen und lernen

Viele behandeln den Steuerbescheid wie einen uninteressanten Vertrag – falsch. Hier entscheiden sich hunderte Euro.

Ein Unternehmer, den ich 2016 beriet, ignorierte einmal einen falschen Bescheid und verlor dadurch 1.800 €. Hätte er sofort geprüft und Widerspruch eingelegt, wäre es anders ausgegangen.

Mein Praxistipp: Legen Sie den Bescheid neben Ihre Erklärung. Prüfen Sie alle Zahlen und Abweichungen. Wenn Sie unsicher sind: Innerhalb eines Monats Einspruch einlegen. Das ist Ihr gutes Recht. Und jedes Jahr lernen Sie so, wie das System arbeitet – und wo Sie im nächsten Jahr besser werden.

Abschluss

Die Realität ist: Steuern selbst einzureichen erfordert Disziplin und einen klaren Prozess. Aber es ist machbar – und es bringt Sie in eine Position, in der Sie nicht nur pflichtbewusst, sondern auch strategisch mit Ihren Finanzen umgehen. Sie lernen, Muster zu erkennen, Fehler zu vermeiden und Einsparungen bewusst zu nutzen.

Ich sage meinen Klienten immer: Ja, es kostet Zeit. Aber wer sich beim zweiten oder dritten Mal wiederfindet, merkt, dass es Routine wird – und Routine schafft Freiheit.

FAQs

Muss jeder Arbeitnehmer in Deutschland eine Steuererklärung abgeben?

Nein, viele Arbeitnehmer sind nicht zwingend verpflichtet. Oft lohnt es sich jedoch, weil Rückerstattungen winken.

Kann ich meine Steuer ohne Steuerberater wirklich korrekt einreichen?

Ja, mit Software wie ELSTER oder smartsteuer gelingt das problemlos, wenn Sie sorgfältig alle Daten erfassen.

Welche Unterlagen brauche ich für die Einkommensteuererklärung?

Typisch sind Lohnabrechnungen, Versicherungsnachweise, Belege über Kosten und Nachweise zu Sonderausgaben oder Spenden.

Wie lange habe ich Zeit für die Abgabe?

Bis zum 31. Juli des Folgejahres. Mit Berater kann eine Verlängerung bis Februar des übernächsten Jahres erfolgen.

Welche Software ist am einfachsten für Einsteiger?

Viele nutzen ELSTER direkt, andere bevorzugen benutzerfreundliche Plattformen wie smartsteuer wegen besserer Hilfestellung.

Kann ich die Steuer komplett digital einreichen?

Ja, über ELSTER oder Partner-Software geschieht die gesamte Einreichung ohne Papier – rechtlich gültig.

Was passiert, wenn ich meine Steuer zu spät abgebe?

Es drohen Verspätungszuschläge und im schlimmsten Fall Zwangsgelder. Fristen ernst nehmen ist entscheidend.

Sind Werbungskosten-Pauschalen immer ausreichend?

Nicht immer. Wer höhere Werbungskosten nachweist, sollte diese individuell ansetzen und entsprechende Belege vorlegen.

Wie finde ich heraus, welche Sonderausgaben steuerlich gelten?

Aktuelle Listen gibt es jedes Jahr online oder über Ihre Steuer-Software, die ständig angepasst wird.

Kann ich Homeoffice steuerlich geltend machen?

Ja, seit der Pandemie wurde eine Pauschale eingeführt, die auch ohne separates Arbeitszimmer gilt.

Muss ich Kapitalerträge angeben, auch wenn sie gering sind?

Ja, alle Kapitalerträge müssen angegeben werden. Freibeträge reduzieren aber oft die Steuerlast.

Wie sicher ist die Übertragung meiner Daten bei ELSTER?

Sehr sicher, da ELSTER mit modernster Verschlüsselung arbeitet. Vertrauen in die Plattform ist gerechtfertigt.

Kann ich meine Steuererklärung im Nachhinein korrigieren?

Ja, solange der Bescheid noch nicht rechtskräftig ist, dürfen Sie Ergänzungen oder Änderungen vornehmen.

Was tun, wenn das Finanzamt meinen Bescheid fehlerhaft erstellt hat?

Innerhalb von vier Wochen Einspruch erheben. Es reicht ein formloses Schreiben mit Begründung.

Gibt es Unterschiede zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen bei der Steuer?

Ja, Selbstständige müssen zusätzliche Gewinnermittlungen und Umsatzsteuererklärungen einreichen – deutlich komplexer.

Wie kann ich prüfen, ob sich meine Steuererklärung „gelohnt“ hat?

Vergleichen Sie Ihre Rückerstattung oder Nachzahlung und reflektieren Sie, welche Absetzungen Sie im Folgejahr verbessern können.

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *